Israel bricht das Völkerrecht seit mehr als 70 Jahren
Ausschnitte der Verhandlung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag zur Klage gegen Israel wegen Völkermordes in Gaza.
Das Gericht hat letzte Woche seine Anhörungen zu diesem Fall beendet, in denen 49 UN-Mitgliedsstaaten und 3 Organisationen Stellungnahmen vortrugen (Transkripte und Videos sind online frei verfügbar). Als Vertreter der Afrikanischen Union hat der britische Menschenrechts-Anwalt und Jura-Professor Ralph Wilde am 26. Februar 2024 einen bemerkenswerten Überblick der Geschichte Israels aus Sicht des Völkerrechts gegeben.
Seine Stellungnahme geht über 100 Jahre zurück, von der Balfour-Erklärung von 1917 bis hin zur illegalen „Übergabe“ Palästinas an die Vereinten Nationen durch das Vereinigte Königreich im Jahr 1947. Die Balfour-Erklärung war ein Brief des britischen Außenministers Arthur Balfour an Lord Rothschild, einflussreicher jüdischer Vertreter des Rothschild Banken Imperiums, in der die britische Regierung ihre Unterstützung für die Errichtung einer „nationalen Heimat für das jüdische Volk“ in Palästina ankündigte, damals eine osmanische Region mit einer kleinen jüdischen Minderheit von etwa 11 %. Die Briten beanspruchten zu Unrecht – wie Prof. Wilde darlegt – das „Mandat“ für Palästina (1918-1948), weil die Briten Gebiete besetzt hatten, die zuvor vom Osmanischen Reich beherrscht wurden. Mit den Friedensverträgen, die den Ersten Weltkrieg beendeten, wurde jedoch auch das nach dem Krieg entstandene Prinzip der Selbstbestimmung verankert. Das bedeutet, dass Palästina bereits 1918 das Recht auf Selbstbestimmung ohne Mandat des Vereinigten Königreichs oder anderen über seine neu gewonnene Souveränität hatte.
Im November 1947 übergab das Vereinigte Königreich sein fälschlicherweise beanspruchtes Mandat über Palästina an die Vereinten Nationen. Die neu gegründeten Vereinten Nationen mit damals nur 53 Mitgliedern verabschiedeten eine Teilungsresolution der UN-Generalversammlung (UNGA), die jedoch nicht befugt ist, rechtsverbindliche Resolutionen zu ratifizieren. Diese Resolution der UN-Generalversammlung zur Gründung Israels wurde von den arabischen Staaten entschieden abgelehnt – aber der zionistische Einfluss auf andere UN-Mitglieder war überwältigend. Dennoch hatte die UN-Resolution keine völkerrechtliche Grundlage.
Das von Großbritannien unterstützte UN-Urteil löste 1947–1948 die Nakba („Katastrophe“ auf Arabisch) aus, die sich auf die Massenvertreibung von Palästinensern durch Juden bezieht und etwa 78% Palästinas zu Israel machte. Nakba wurde zu einem Massaker und der ersten ethnischen Säuberung durch das spätere Israel, da vertriebenen Palästinensern das Recht auf Rückkehr in ihr Heimatland entzogen wurde. Während der Nakba zerstörte Israel 531 palästinensische Städte und tötete etwa 15.000 Palästinenser. Vor der Nakba war Palästina eine multi-ethnische und multikulturelle Gesellschaft, die in Frieden lebte. Am 14. Mai 1948 erklärte Israel offiziell seine Unabhängigkeit, verkündet von David Ben-Gurion , dem geschäftsführenden Leiter der Zionistischen Weltorganisation und bald ersten Premierminister Israels.
Prof. Wilde (Bild) fährt fort: Als ob diese andauernde Nakba nicht schon katastrophal genug wäre, eroberte Israel 1967 die restlichen 22 Prozent des historischen Palästinas – den Gazastreifen und das Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem – die Naksa. ... Seit mehr als einem halben Jahrhundert regiert also ein Staat, der ausschließlich für das jüdische Volk bestimmt ist, das gesamte Land des historischen Palästinas und das palästinensische Volk dort. Und das Regime der Rassenherrschaft – der Apartheid – und der Verweigerung der Rückkehr wurde überall ausgeweitet ... Selbst in Ost-Jerusalem, das Israel annektiert hat, hat die Mehrheit nichtjüdischer palästinensischer Einwohner keine Staatsbürgerschaft, während jüdische Einwohner, einschließlich illegaler Siedler, Staatsbürger sind… Genau wie im territorialen Israel, als auch in den besetzten Gebieten, müssen diese schwerwiegenden Verletzungen in Bezug auf die Art und Weise, wie Israel seine Autorität über das palästinensische Volk ausübt, sofort beendet werden.
Was ist mit Israels aktueller Militäraktion in Gaza? Dies ist kein Krieg, der im Oktober 2023 begonnen hat. Es handelt sich um eine drastische Verschärfung der Gewalt, die dort und im Westjordanland seit 1967 kontinuierlich ausgeübt wird. Eine Rechtfertigung für eine neue Phase einer andauernden illegalen Gewaltanwendung kann nicht allein aus den Folgen des gewaltsamen Widerstands gegen diese illegale Gewaltanwendung konstruiert werden. Andernfalls wäre eine illegale Gewaltanwendung rechtmäßig, weil diejenigen, die ihr unterworfen waren, gewaltsam Widerstand leisteten – ein Zirkelschluss mit perversem Ergebnis.
Seit 2007 hat sich der Gazastreifen zum größten Freiluftgefängnis der Welt entwickelt, in dem etwa 2,4 Millionen Palästinenser eingesperrt sind und gegenwärtig von Israel zunehmend vernichtet werden, durch Krieg, Krankheit und Hunger. Vor kurzem wurden Pläne enthüllt, überlebende Palästinenser nach Ägypten zu vertreiben. Schon die Absicht einer solchen Vertreibung belegt eindeutig den Vorwurf des Völkermordes.